english

Presseecho vom 05.04.2004

Zwischenlandschaft

Bernd Dreiocker für RBB KulturRadio kultur aktuell 5. April 2004, 8.15 Uhr

von Alexander Lück

Eine IBA-Tagebau-Erkundung

Anmod.:
Die Internationale Bauaustellung Fürst-Pückler-Land hat ihre Freiluftsaison eröffnet. In den kommenden Monaten sind z.B. mit spezieller Führung die Tagebaulandschaften wieder begehbar. Dort, wo einst Menschen lebten, wo dann Braunkohle abgebaut wurde und wo demnächst Seen entstehen werden, war Bernd Dreiocker zu einer “Sinnlichen Tagebauerkundung” unterwegs.

Am Rand des ehemaligen Tagebaus Meuro weht ein heftiger Wind. Kein Wunder, denn so weit das Auge reicht, findet er keinen Widerstand.
Eine gigantische Grube ist das 3500 ha große Gelände. Bis vor 12 Jahren bauten die Lausitzer hier die Braunkohle ab. Dann wurde die Grube geschlossen. Seitdem wird das “Tagebaurestloch” rekultiviert. Eine neue Landschaft soll entstehen.
Das, was die Teilnehmer einer geführten Tagebauerkundung erleben, ist aber keine neue und nicht die alte, es ist eine Zwischenlandschaft. Wie viele Zeiten sich tatsächlich in dieser Sandgrube überlagern, wird erst im Verlauf der Führung deutlich werden. Die 30 wind- und wetterfest angezogenen Menschen stapfen mit festem Schuhwerk immer weiter und immer tiefer in die Grube hinein.

13:08 (Geräusch) 30 + kopieren kurz hoch, dann unterlegen 10

Wenn niemand spricht, hört man im stillgelegten Tagebau nur die eigenen Schritte. Die Gruppe läuft erst bergab über locker bewachsenen Boden, dann wieder bergauf, über unterschiedlich feste Sandschichten. Wie in der Wüste hat ihnen manchmal der Wind seltsame Strukturen gegeben.

Geräusch kurz hoch und weg. 3

Um das sinnliche Erlebnis zu vertiefen, hat der Leiter der Führung, Rainer Düvell, Augenbinden und Ohropax verteilt. Nichts sehen und nichts hören.
Der Boden unter den Füßen ist nicht fest. Während er woanders Millionen von Jahren liegt, ist er hier in den letzten Jahrzehnten oft mehrfach bewegt worden. “Rutschungsgefahr” nennt man das Risiko, dass sich Erdmassen verschieben. Nur wenige Wanderer bewegen sich blind in dieser Mondlandschaft.
Ein älteres Ehepaar findet diese Spielchen eher albern. Sie haben früher mal hier gewohnt, bevor der Bergbau kam. Ja, dort drüben genau ging die Straße durch Großräschen-Süd, da war die Kirche und hier war das Schwimmbad. Und wie aufs Stichwort stellt Rainer Düvell den Kassettenrecorder an und eine ehem. Einwohnerin beschreibt, in einem etwas hallig klingenden Raum, die Schwimmhalle, die früher genau hier war, nur ein paar Meter über unseren Köpfen.

24:38 Es war ne wunderschöne Anlage, 50-m-Bahn für Schwimmer und 50 m Nichtschwimmer, (...) mit Sprunggrube und denn noch n extra Planschbecken (...) n kleener Springbrunnen noch, wo sogar Trinkwasser rauskam und Pappeln ringsherum und Lindenbäume, da hat man auch die erste Liebe so gehabt, wie man so eben ins Schwimmbad geht (Lachen)...29

Das Schwimmbad ist als Beispiel gut gewählt. Denn Wasser ist auch die Zukunft des Tagebaus.
Wenn Ende 2005 das Landschaftsprofil stabil ist, beginnt die Flutung des Geländes. Und aus dem ehemaligen Großräschen-Süd, das in dem Tagebau Meuro unterging, wird dann der Ilse-See, Teil einer miteinander verbundenen und schiffbaren Seenlandschaft, die in zwanzig bis dreißig Jahren abgeschlossen sein wird. Rainer Düvell lässt ein paar Ballons aufsteigen an der Angelsehne, knapp 40 m hoch, dort wird die Wasseroberfläche sein. Wir stehen heute auf dem Grund des zukünftigen Gewässers. In einer Landschaft des Nicht-Mehr und Noch-Nicht-Seins.
Düvell fragt nach Wünschen und Visionen: Eine Frau wünscht sich, diese Zukunft noch erleben zu dürfen. Jemand anderes will mehr Arbeitsplätze für die Region.

Geräusch unterlegen

Das Ende der Tagebauwanderung ist der schwerste Abschnitt. Ging es im ersten Teil überwiegend bergab, folgt im zweiten Teil ein endloser Aufstieg.

Geräusch kurz hoch und weg 5

Am Horizont, dem Tagebaurand, steigen Staubfahnen auf. Dort fahren sie mit getunten und gestylten Autos eine Off-Road-Rallye - auch eine Form, diese Landschaft zu erleben.

Abmod.:
IBA-Tagebauerkundungen in Großräschen gibt es bis September jeden ersten, dritten und ggf. fünften Samstag im Monat. Anmeldung erforderlich unter Tel. 035753/2610 oder www.iba-see.de -> Touren.

Quelle: KulturRadio

zurück

letzte Änderungen: 13.3.2017 22:12